Davide Brocchi (Bild: Courtesy Athenian Agora Excavations)
Jede Kultur wirkt als „geistiger Bauplan der Gesellschaft“, der sich auch im Städtebau materialisiert. Dass die westlich geprägte Kultur durch ein pessimistisches Menschenbild dominiert ist, wird im Städtebau vor allem durch private und kommerzielle Räume erkennbar. Sie sind Ausdruck eines egoistischen „Homo oeconomicus“, der zum miteinander Teilen unfähig ist. Genauso institutionalisiert sich das Menschenbild des „Leviathan“ (Thomas Hobbes) in der Verwaltung öffentlicher Räume. Sie gehören nämlich nicht den Bürger:innen, sondern einem Staat, der den Glaubenssatz verkörpert, dass nur Chaos entstehen kann, wenn man die Bürger:innen machen lässt und kollektive Selbstorganisation zulässt. So dürfen Nachbarschaften in Deutschland nicht einmal die eigene Straße eigenständig verschönern, ohne mit Vorschriften und Auflagen konfrontiert zu werden. Eine Verwaltung, die den eigenen Bürger:innen nicht vertraut, kann jedoch nur eine überlastete sein. Weil Räume und Infrastrukturen ihre Bewohner:innen miterziehen, trägt eine Materialisierung und Institutionalisierung von pessimistischen Menschenbildern sowie die Privatisierung von Grund und Boden zu einer zunehmenden Vereinzelung und Polarisierung in der Gesellschaft bei. Aus der modernen Stadtplanung verschwindet damit die „Agora“ – der zentrale Versammlungs- und Kultplatz – so dass die Bürger:innen die Politik konsumieren statt selbstmachen.
Wer also den Zusammenhalt und die Demokratie stärken will, sollte ein „realistisches Menschenbild“ bzw. eine Kultur des Gemeinwesens institutionalisieren und materialisieren. Dafür stehen Räume als Gemeingut: Gemeinschaftsgärten, Bürgerzentren, Klubs, Wohngenossenschaften, nachbarschaftliche Wohnzimmer usw. Nicht nur Straßen und Plätze können als Gemeingut betrachtet und behandelt werden, sondern auch ganze Quartiere und Ortsteile. Sie bilden Identifikationselemente in der Vielfalt und setzen gleichzeitig ein gewisses Vertrauen voraus. So ist die erste Bedingung von Gemeingütern die Kooperation ihrer Nutzer*innen bzw. die kollektive Übernahme und Ausübung von Verantwortung.
Die andere Bedingung von Gemeingütern ist die Möglichkeit der Selbstverwaltung. Wie bringt man öffentliche Institutionen dazu, als Ermöglicher und nicht nur als Ordnungshüter aufzutreten, sodass die Nachbarschaft in ihrem demokratischen Willen unterstützt statt behindert wird?
Im falschen Leben kann ein richtiges entstehen, indem die nachhaltige Transformation nach menschlichem Maß gestaltet wird. So lautet die wichtigste Maxime der menschlichen Kommunikation „Beziehung kommt vor Inhalt“ (Paul Watzlawick). Kooperation braucht Augenhöhe. Auch gemeinsame Spielregeln und nicht-kommerzielle Rituale können für Vertrauen sorgen. Verfestigte mentale und materielle Infrastrukturen lassen sich durch Spielwiesen für Alternativen verflüssigen, die durch neue Allianzen (z. B. Civic-Public-Partnerships) bespielt werden. Das Spiel ist eine natürliche Strategie der Interaktion mit dem Unbekannten sowie des Vertrauensaufbaus unter Fremden. So lässt sich Commoning als individueller und kollektiver Lernprozess gestalten.